2010-12-25

Ernährungssouveränität

Gedanken zum agrarpolitischen Begriff
der Ernährungssouveränität

Als Abwehrstrategie gegen die geplanten Marktöffnungen im Rahmen der WTO und des Agrarabkommens mit der EU (FHAL) wurde der Begriff der Ernährungssouveränität, ein politisches Konzept der Kleinbauern und Landarbeiter aus Drittweltländern, in die agrarpolitische Diskussion gebracht.

Was bedeutet Ernährungssouveränität?

Der Begriff wurde an der Welternährungskonferenz 1996 von der internationalen Kleinbauern- und Landarbeiterbewegung Via Campesina geprägt und ist ein politisches Konzept und kein wissenschaftlicher Fachbegriff. Das Konzept bedeutet, dass allen Völkern, Ländern und Ländergruppen das Recht zugestanden wird, ihre Landwirtschafts- und Ernährungspolitik selbst zu definieren.

Durch die Ernährungssouveränität sollen die Selbstversorgung sowie die lokalen und regionalen Märkte, die Vorrang vor Exporten (Importen im Falle der Schweiz) haben, gefördert werden. Mit der Politik der Ernährungssouveränität werden die Vorherrschaft multinationaler Konzerne und der Welthandel bekämpft. Seinen Ursprung, und teilweise auch seine Berechtigung, hat dieses politische Konzept in Drittweltländern mit einem sehr hohen Anteil landwirtschaftlicher Bevölkerung und gleichzeitiger Unterversorgung mit Nahrungsmitteln.

Da die Ernährungssouveränität ein politisches Konzept ist und kein Fachbegriff, wird sie auch sehr unterschiedlich ausgelegt. Für die einen steht die Versorgungssicherheit in der Ernährung, ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad, im Vordergrund. Dies bedingt eine nachhaltige Nutzung unserer land- und alpwirtschaftlich genutzten Flächen sowie eine möglichst effiziente Nahrungsmittelproduktion entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Für andere bedeutet Ernährungssouveränität die Wahlfreiheit, sich seinen Speiseplan selber zusammenstellen zu können. Eine Selbstverständlichkeit in unseren Breitengraden. Die Entscheidung fällt der Verbraucher. Damit diese Entscheidung, wo immer möglich, zu Gunsten der lokalen und regionalen Produkte ausfällt, müssen alle Massnahmen ausgeschöpft werden, die zu einer besseren Identifikation und Rückverfolgbarkeit von Nahrungsmitteln führen. Die unter der Leitung des Bundes von der Branche erarbeitete Qualitätsstrategie sowie eine unverwässerte Umsetzung der „Swissness-Vorlage“ des Bundesrates bilden künftig eine gute Grundlage dazu.

Das geplante Agrarabkommen mit der EU stärkt die Ernährungs-
souveränität

Das geplante Agrarabkommen mit der EU (FHAL) erhält, respektive verbessert die Versorgungssicherheit und schränkt die Wahlfreiheit der Verbraucher nicht ein, sondern erweitert sie. Die ganze Nahrungsmittelkette wird durch die Öffnung nicht geschwächt, sondern gestärkt, indem sie eindeutig wettbewerbsfähiger wird. Das Know how bleibt auf allen Stufen erhalten. Durch die Marktöffnung wird niemand gezwungen, Nahrungsmittel zu importieren, es müssen nur die Marktzutritte gewährt werden. Ob und wie viel importiert wird, entscheidet der Konsument. Die Konsumenteninformation wird durch das Agrarabkommen verbessert. Wichtig ist ebenfalls, dass bei einer allfälligen zukünftigen Verknappung des Angebotes an landwirtschaftlichen Rohstoffen die Schweiz mit einem Selbstversorgungsgrad von 55-60 % auf gute Handelsbeziehungen angewiesen ist. Durch den Abschluss des geplanten Agrarabkommens mit der EU wird sicherlich die beste Gewähr geboten, die 40 % fehlenden Futter- und Nahrungsmittel auch in schwierigen Zeiten zu beschaffen. Sich ausschliesslich auf die Selbstversorgung abzustützen, wäre, mit nur 1'300 m2 landwirtschaftlicher Nutzfläche pro Einwohner, eine unverantwortliche Strategie.

Die Erhaltung der Ernährungssouveränität (parlamentarische Initiative Bourgeois) rechtfertigt somit weder  vermehrten Protektionismus noch die Ablehnung des geplanten Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich (FHAL) mit der EU.

Dezember 2010,  Hans Burger

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