2006-09-04

AP 2011: Keine Zeit für einen Zwischenhalt...


Unbefriedigende Aufnahme der AP 2011...

In der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates beginnen am 5. September die Beratungen über die Weiterführung der Agrarpolitik (AP 2011). Es geht darum wie viel finanzielle Mittel für die Landwirtschaftspolitik in den Jahren 2008 bis 2011 zur Verfügung gestellt und wie sie verwendet werden sollen. Damit werden die Rahmenbedingungen für eine weitere Etappe der 1992 begonnenen Reform der Agrarpolitik festgelegt. In einem ersten Schritt wurde die Entkoppelung der Preis- und Einkommenspolitik durchgeführt und der Grenzschutz WTO bedingt umgebaut. In einem zweiten mit der Aufhebung parastaatlicher Vermarktungsorganisationen (Käseunion und Butyra) auch die Preis- und Absatzgarantien abgeschafft (AP 2002) und die Direktzahlungen an einen ökologischen Leistungsausweis gebunden. In einem Dritten Schritt geht es nun vorab darum die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern (AP 2007). In diesem Prozess befinden wir uns gegenwärtig. Die Aufhebung der Milchkontingentierung ist beschlossen, Zollkontingente werden versteigert und Strukturverbesserungsmassnahmen ausgebaut. Als weitere wesentliche Elemente zur Wettbewerbsverbesserungen sieht nun die AP 2011 konsequenterweise vor, die Marktstützungen weiter in Direktzahlungen umzulagern und den Strukturwandel zu erleichtern. Sie ist somit eine logische Fortsetzung des laufenden Reformprozesses ohne grundsätzlichen Richtungswechsel.

Es stellt sich deshalb die Frage warum die AP 2011 schlechter als ihre Vorgängerinnen (AP 2002 und AP 2007) aufgenommen wurde. Zwei Gründe stehen im Vordergrund: Zum Einen fordert die AP 2011 von der Landwirtschaft einschneidende Strukturanpassungen ohne im Gegenzug auch neue Absatzmöglichkeiten zu eröffnen. Zum Andern wehren sich weite Teile der Verarbeitungsindustrie und des Handels gegen den Abbau von Marktstützungsbeiträgen von denen sie bis jetzt direkt und indirekt profitiert haben.

Es braucht Perspektiven...

Langsam werden die Grenzen der bisherigen Reformpolitik sichtbar. Die erbrachten Produzentenpreissenkungen der letzten Jahre von ca. 25 Prozent sind nicht in erwartetem Ausmass bei den Verbrauchern angekommen. Die Konsumentenpreise stiegen im gleichen Zeitraum um mehr als 10 Prozent. Der Einkauf von Nahrungsmitteln im benachbarten Ausland nahm ebenfalls zu. Um aus dieser für die Landwirtschaft wenig zukunftsträchtigen Situation heraus zu kommen, sollten wir uns wieder auf die ursprünglichen Zielsetzungen der Neuausrichtung der Agrarpolitik anfangs der neunziger Jahre zurückbesinnen: Die Vorbereitung unserer Landwirtschaft auf die Teilnahme am europäischen Markt. Wir brauchen die gegenseitige Marktöffnung mit der EU für den gesamten Ernährungssektor um Produktion und Verarbeitung in unserem Land zu erhalten. Mit dem Abschluss des Agrarabkommens im Rahmen der Bilateralen Verträge I und der Erweiterung des Freihandelbereiches für verarbeitete landwirtschaftliche Produkte im Rahmen der Bilateralen II mit der EU haben wir Teilziele erreicht. Ab nächstes Jahr kann Käse frei zwischen der EU und der Schweiz ein- und ausgeführt werden. Die damit eingeleitete Marktöffnung, mit der die Milchwirtschaft bis heute sehr gut zurecht gekommen ist, gilt es weiter auszubauen. Ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU bringt, wie wir dies am Beispiel des Käses sehen, Perspektiven. Kosten können gesenkt werden und es eröffnen sich zusätzliche Absatzmöglichkeiten. Dies im Gegensatz zu WTO bzw. bilateralen Abkommen mit anderen Staaten, wo unsere Agrarpreise und –marktanteile stark unter Druck kommen und das hohe Kostenumfeld für unsere Produzenten kaum gesenkt würde. Durch ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU würde aber nicht nur die Landwirtschaft in den Reformprozess einbezogen, sondern wesentlich mehr als bis jetzt auch die vor- und nachgelagerten Bereiche. Dies ist dringend nötig, den durch das alleinige Senken der Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe werden wir kaum wettbewerbsfähiger. Vor dem Hintergrund des klaren Zieles, den Freihandel für den gesamten Ernährungssektor im Jahre 2015 umgesetzt zu haben, bekommt die in AP 2011 auch für die Landwirtschaft einen Sinn.

Ziel nicht aus den Augen verlieren...

Leider wurde die AP 2011 nicht vorab zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wahrgenommen, sondern hauptsächlich als WTO bedingte Abbauübung. Deshalb scheint mit dem Scheitern der Doha - Runde die Notwendigkeit zur Fortsetzung der Reformen fälschlicherweise für Viele weggefallen zu sein. Der Ruf zum Bremsen des Reformprozesses wurde unüberhörbar. Es wird die Umlagerung von Mitteln aus der Marktstützung in die Direktzahlungen in Frage gestellt und die Aufstockung der vorgesehenen finanziellen Mittel gefordert. Beide Korrekturen würden uns aber vom Ziel, in zehn Jahren am europäischen Markt teilnehmen zu können, entfernen. Die Marktstützungen sind in der Schweiz pro Produkteinheit immer noch wesentlich höher als in der EU. Hinzu kommt, dass die EU ihrerseits die Marktstützungen laufend abbaut. Die Umlagerung von Mitteln aus der Marktstützungen in die Direktzahlungen ist deshalb sinnvoll. Sollte das Parlament zusätzliche Mittel beschliessen, müssten sie unbedingt zielgerichtet für die Vorbereitung der gegenseitigen Marktöffnung mit der EU eingesetzt werden. Weder Über Marktstützungen noch über das bestehende Direktzahlungssystem ist dies nicht möglich, weil dadurch der Preisabstand zur EU vergrössert und die relative Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz wieder verschlechtert würde..


Wenn wir künftig nicht laufend Marktanteile verlieren und dem gesamten Ernährungssektor Perspektiven geben wollen, brauchen wir die Öffnung zum europäischen Markt. Die vom Bundesrat vorgeschlagene AP 2011 bringt uns diesem Ziel näher. Sie sieht vor Exportsubventionen und rentenbildende Einfuhrregimes abzuschaffen. Die noch verbleibenden Marktstützungen sollen direkter ausgerichtet und nicht mehr als Verarbeitungs- und Verwertungsbeiträge in der nachgelagerten Stufe versickern. Eine Verlangsamung des Reformtempos durch die Aufrechterhaltung der Marktstützungen und das Aufstocken der Direktzahlungen über das vorgesehene Ausmass hinaus dagegen entfernt uns vom Ziel. Die unausweichlich folgenden künftigen Reformschritte würden dadurch für die Betroffenen nur um so schwieriger zu bewältigen sein.


Hans Burger, ehem. Direktor BLW, Sekretär GOAP, NZZ (04.09.06)