Der Landwirtschaftspolitik wieder einen Sinn geben; Teilnahme am europäischen Markt oder Niedergang
Warum wurde AP 2011 weniger gut aufgenommen als die zwei vorangehenden Reformetappen? Eines der Ziele der AP 2002 und AP 2007 war ganz eindeutig die Annäherung an das europäische Preisniveau. Dies entsprach auch dem strategischen Ziel des Bundesrates der EU beizutreten. In der Zwischenzeit wurde, im März 2001, die Initiative "Ja zu Europa" massiv verworfen und im Herbst 2003 ist die SVP zur wählerstärksten Partei aufgerückt. Eine rasche Annäherung an den europäischen Markt schien seither nicht mehr notwendig. Wegen dieser fehlenden Zielsetzung hat die AP 2011 Mühe zu überzeugen.
Für die Anhänger einer unabhängigen und allein stehenden Schweiz ist heute alles bestens. Stimmt das aber auch für die Landwirtschaft? Das wäre der Fall, wenn sie nicht sowohl von "aussen" wie von "innen" zunehmend gefordert würde. Von "aussen" durch die einzugehenden WTO Verpflichtungen, wo man sich auf Weltmarktbedingungen ausrichtet und wo die Schweiz kaum genügend Verbündetet findet um gewichtig Gegensteuer zu geben. Im "Innern" ginge alles gut, wenn es der Landwirtschaft gelingen würde der Multifunktionalität, der Nahrungsmittelversorgung und dem Primat der Innlandversorgung die gleiche Bedeutung zu geben wie die Banken dem Bankgeheimnis oder einer "Besteuerung nach Mass". Es würde sicher auch helfen, wenn die Landwirtschaf gemessen am Bruttoinlandprodukt eine wichtiger volkswirtschaftlicher Zweig wäre, hohe Löhne und viel Steuern bezahlen würde. Leider müssen wir feststellen, dass viele politische und wirtschaftliche Meinungsmacher eine starke Reduktion der landwirtschaftlichen Produktion begrüssen würden. Sie stellen sich wohl ein schottisches Modell vor, wo sich zwischen ausgedehnten Wäldern einige Schafe und Mutterkühe auf extensiven Weiden tummeln. Die Landschaft würde gepflegt, die Umwelt erhalten, die importierten Nahrungsmittel wären billiger und die Bundesfinanzen würden entlastet.
Aus dieser Sicht kommt das Projekt für einen Agrarfreihandel mit der EU zur rechten Zeit. An Stelle des US amerikanischen Marktes, der für die Landwirtschaft nur Nachteile bringen würde, setzt es auf den europäischen Markt. Dieser macht schon ¾ der schweizerischen Exporte aus und bietet Entwicklungsmöglichkeiten an (Marktnähe, Konsumgewohnheiten, ähnliche Produktionsvorschriften). Agrarfreihandel mit der EU ist im Interesse der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie. Es gibt der seit anfangs 1990 geführten Agrarpolitik wieder eine Linie und einen Sinn. Vor allem gibt es einer produzierenden Landwirtschaft eine Perspektive und damit eine positive Alternative zu den durch die Doha – Runde der WTO so oder so zu erwartenden Preissenkungen.