2007-02-02

Der Landwirtschaftspolitik wieder einen Sinn geben; Teilnahme am europäischen Markt oder Niedergang

Mit dem Projekt Agrarfreihandel Schweiz – EU bekommt die Landwirtschaftspolitik wieder einen Sinn. Im Unterschied zu AP 2011 eröffnet es der Landwirtschaft Perspektiven und verlangt nicht nur zusätzliche Opfer von ihr. Ohne diese Öffnung sehen die Landwirte in den laufenden Reformen nur den zunehmenden Anpassungsdruck und kein Ziel, geschweige denn ein Interesse an den Reformen. Im Gegenteil, die erbrachten Strukturanpassungen scheinen ihnen für nichts, da die Preissenkungen in der Verarbeitung und Verteilung verschwinden, die Produktionskosten auf schweizerischem Höchstniveau bleiben und die Grenzen zur EU – mit Ausnahme des Käses – für ihre Produkte unüberwindlich bleiben.




Warum wurde AP 2011 weniger gut aufgenommen als die zwei vorangehenden Reformetappen? Eines der Ziele der AP 2002 und AP 2007 war ganz eindeutig die Annäherung an das europäische Preisniveau. Dies entsprach auch dem strategischen Ziel des Bundesrates der EU beizutreten. In der Zwischenzeit wurde, im März 2001, die Initiative "Ja zu Europa" massiv verworfen und im Herbst 2003 ist die SVP zur wählerstärksten Partei aufgerückt. Eine rasche Annäherung an den europäischen Markt schien seither nicht mehr notwendig. Wegen dieser fehlenden Zielsetzung hat die AP 2011 Mühe zu überzeugen.



Für die Anhänger einer unabhängigen und allein stehenden Schweiz ist heute alles bestens. Stimmt das aber auch für die Landwirtschaft? Das wäre der Fall, wenn sie nicht sowohl von "aussen" wie von "innen" zunehmend gefordert würde. Von "aussen" durch die einzugehenden WTO Verpflichtungen, wo man sich auf Weltmarktbedingungen ausrichtet und wo die Schweiz kaum genügend Verbündetet findet um gewichtig Gegensteuer zu geben. Im "Innern" ginge alles gut, wenn es der Landwirtschaft gelingen würde der Multifunktionalität, der Nahrungsmittelversorgung und dem Primat der Innlandversorgung die gleiche Bedeutung zu geben wie die Banken dem Bankgeheimnis oder einer "Besteuerung nach Mass". Es würde sicher auch helfen, wenn die Landwirtschaf gemessen am Bruttoinlandprodukt eine wichtiger volkswirtschaftlicher Zweig wäre, hohe Löhne und viel Steuern bezahlen würde. Leider müssen wir feststellen, dass viele politische und wirtschaftliche Meinungsmacher eine starke Reduktion der landwirtschaftlichen Produktion begrüssen würden. Sie stellen sich wohl ein schottisches Modell vor, wo sich zwischen ausgedehnten Wäldern einige Schafe und Mutterkühe auf extensiven Weiden tummeln. Die Landschaft würde gepflegt, die Umwelt erhalten, die importierten Nahrungsmittel wären billiger und die Bundesfinanzen würden entlastet.


Wir sind heute soweit, dass der Landwirtschaft nur noch die Wahl bleibt zwischen der Teilnahme am europäischen Markt oder dem langsamen Niedergang. Die ersten Anzeichen sind da: der im Rahmen der WTO – Verhandlungen beschlossene vollumfängliche Abbau der Exportsubventionen. Dadurch wird 2013 auch das Gesetz über den Export von verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten (Schoggigesetz) ausser Kraft gesetzt. Die in der Schweiz ansässigen Verarbeitungsindustrien werden nicht mehr von Rückerstattungen profitieren können um die hohen schweizerischen Rohstoffpreise in ihren exportierten Produkten wie z.b. Schokolade, Biscuits und Suppen ausgleichen zu können. Sie werden nach Alternativen Umschau halten: entweder erhalten sie die Rohstoffe von schweizerischen Landwirten zu konkurrenzfähigen Preisen oder es besteht das Risiko, dass die Produktion in ein EU – Land ausgelagert wird. Wir wissen, dass immer mehr Produkte in verarbeiteter Form vom Konsumenten nachgefragt werden. Daraus schliessen wir unschwer, dass eine Landwirtschaft ohne Nahrungsmittelindustrie einem "Segelschiff ohne Masten" gleichkommt. Die Schwächung oder der Verluste weiter Teile der Verarbeitungsindustrie würde die Landwirtschaft in ihrer Existenz bedrohen.



Aus dieser Sicht kommt das Projekt für einen Agrarfreihandel mit der EU zur rechten Zeit. An Stelle des US amerikanischen Marktes, der für die Landwirtschaft nur Nachteile bringen würde, setzt es auf den europäischen Markt. Dieser macht schon ¾ der schweizerischen Exporte aus und bietet Entwicklungsmöglichkeiten an (Marktnähe, Konsumgewohnheiten, ähnliche Produktionsvorschriften). Agrarfreihandel mit der EU ist im Interesse der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie. Es gibt der seit anfangs 1990 geführten Agrarpolitik wieder eine Linie und einen Sinn. Vor allem gibt es einer produzierenden Landwirtschaft eine Perspektive und damit eine positive Alternative zu den durch die Doha – Runde der WTO so oder so zu erwartenden Preissenkungen.


Zweifellos ist der von der "Gruppe für eine offensive Agrarpolitik" vorgezeichnete Weg nicht ein leichter. Entscheidend ist, die völlige Marktöffnung auch für die vor- und nachgelagerten Bereiche. Sollte diese Öffnung hin zum europäischen Markt nicht gelingen, wird sich die Nahrungsmittelindustrie aus der Schweiz "abmelden" und die Landwirtschaft wird wesentliche Marktanteile verlieren. Es wäre für die Landwirtschaft wichtig, dass sich neben der Wirtschaft auch politische Kreise für die Idee des Agrarfreihandels mit der EU einsetzten, zum Wohle all Derjenigen die den langsamen Niedergang der Landwirtschaft nicht einfach hinnehmen wollen.


Jacques Janin

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